Thesen zur Theater- und Filmkultur 2017


  1. In der Inszenierung der eigenen Person auf sozialen Medienplattformen wie youtube, instagram, snapchat, facebook bedienen sich Jugendliche einer bewusst oder intuitiv eingesetzten Dramaturgie, um sich selbst in Szene zu setzen. Inszenierung wird Teil der Persönlichkeit. Der schulische Umgang mit Theater, Film und Medien entwickelt und stärkt hierbei zu Tage tretende Charakterstrukturen. Es gilt soziale Medien auch moralisch zu reflektieren und als performative, inszenierte Bereiche in das Darstellende Spiel und das filmische Schaffen einzubinden. Jugendkulturelle Phänomene, Wertevorstellungen, innere Bilder und Haltungen hängen davon ab.
  1. Das Thema „Körper“ steht bei Jugendlichen an prominenter Stelle. Praktischer, künstlerischer Umgang und Auseinandersetzung mit Körper und Raum, das Agieren mit Text und Stimme vor einer Kamera, auf einer Bühne präsent sein und sich in der Rolle präsentieren, sich darüber Selbstverständnis erarbeiten, in welchen Bereichen könnten sonst solche Kompetenzen vermittelt werden?
  1. Die Integration der smarten Medientechnologie in filmische oder theatrale Erzählebenen holt Schüler dort ab, wo sie sich als Jugendkultur längst etabliert haben. Wahrnehmungsveränderung durch Zusammenwirken aller Sinne beim Fertigen und Analysieren von Theaterinszenierungen und Filmkollagen fördert Entschlüsselungskompetenz. Das Bewusstsein für Blickwinkel und Blickwechsel decodiert Botschaften und Strategien. Ein Theaterstück oder ein filmisches Werk sind Ergebnisse komplexer ästhetischer Entscheidungen. Sie erzeugen ein hohes Maß an Bewusstsein für Performance und Reduktion auf Wesentliches.
  1. Für die Lehrerausbildung und die Lehrerfortbildung wäre es essentiell, das Darstellende Spiel, das filmische Gestalten und den kreativen Einsatz digitaler Medien als verknüpfende Metafächer massiv zu fördern, da sie für alle Fachrichtungen und Schularten enorm bedeutsam sind. Für den Regelunterricht an der Schule wären Theater, Film und Medien als Fächer ein Indikator dafür, dass Schule im 21. Jahrhundert angekommen ist.
  1. Der Einsatz von theatralen Elementen im Film und filmischen Anleihen in einer Bühneninszenierung ist nicht neu. Auch die Bildende Kunst bedient sich zunehmend digitaler Medien im Bereich Skulptur, Malerei und Performance. Ungewohnt clevere Darstellungsformen in Abgrenzung zur klassischen Machart von Theater und Film sorgen für Unruhe im Denken, erweitern die Palette der Gestaltungsmittel und schärfen die Aussageabsicht. Kunst an solchen Schnittstellen zwingt zur geistigen Flexibilität.
  1. Theater- und Videokünstler gestalten vielerorts „mediales Theater“. Das reicht von Filmadaptionen, Filmzitaten, filmischen Inszenierungen und dramaturgischen Anspielungen auf Filme bis zu filmspezifischen Verfahren auf der Bühne. Filmemacher entleihen theatrale Gestaltungsmittel und fertigen skurrile Bilder. Die virtuellen Realitätsdesigner verwischen die Grenzen zwischen den Genres. Kann Schule kulturelle und ästhetische Wirklichkeiten re-generieren?
  1. Performativität, Theatralität und Medialität bzw. Virtualität müssen als integrale Bestandteile lebensweltlicher Erfahrungsprozesse und kunstästhetischer Praxen verstanden werden. Es geht hier auch um die Auseinandersetzung mit postdigitalen Jugendwelten. Schule ist Lebensraum von Schülern. Auch Räume müssen re-definiert werden. Performative Interventionen passen nicht in eine Guckkastenbühne.

entstanden in Vorbereitung zur LAG-Tagung 2017 (Impulse von Günther Lehner und Ingund Schwarz)

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